Geistliches Wort zum Ostersonntag, den 12. April 2020

 

Die biblische Lesung am Ostersonntag zitiert aus dem Bericht des Lukas über die Osterereignisse. Einige Jünger haben den Auferstandenen gesehen und kommen mit dieser Nachricht zu den übrigen Jüngern. Da setzt das Bibelwort zum Ostersonntag ein.

Lukasevangelium 24,36-47

Noch während sie berichteten, stand Jesus plötzlich mitten im Kreis der Jünger. »Friede sei mit euch!«, begrüsste er sie. Die Jünger erschraken und fürchteten sich sehr. Sie dachten, ein Geist stünde vor ihnen.

»Warum habt ihr solche Angst?«, fragte Jesus. »Wieso zweifelt ihr daran, dass ich es bin? Seht doch die Wunden an meinen Händen und Füssen! Ich bin es wirklich. Hier, fasst mich an und überzeugt euch, dass ich kein Geist bin. Geister sind doch nicht aus Fleisch und Blut wie ich!« Dann zeigte er ihnen seine Hände und Füsse. Aber vor lauter Freude konnten sie es noch immer nicht fassen, dass Jesus vor ihnen stand. Endlich fragte er sie: »Habt ihr etwas zu essen hier?« Sie brachten ihm ein Stück gebratenen Fisch. Den nahm er und ass ihn vor ihren Augen.

Dann sagte er zu ihnen: »Erinnert euch an das, was ich euch angekündigt habe, als ich noch mit euch zusammen war: Alles muss sich erfüllen, was bei Mose, bei den Propheten und in den Psalmen über mich steht.« Nun erklärte er ihnen die Worte der Heiligen Schrift. Er sagte: »Es steht doch dort geschrieben: Der von Gott erwählte Retter muss leiden und sterben, und er wird am dritten Tag von den Toten auferstehen. Allen Völkern wird in seinem Auftrag verkündet: Gott vergibt jedem die Schuld, der zu ihm umkehrt.«

 

Predigt

In Gottes Namen. Amen.

Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden! Der Ostergruss ist so alt wie die Christenheit. Und obwohl er so alt ist, spürt man ihm noch immer die Fassungslosigkeit ab, von der Lukas berichtet. Eine anfänglich misstrauische Fassungslosigkeit, die dann immer freudiger wird, je mehr allen Beteiligten klar wurde, was man kaum fassen kann, weil es unsere Logik sprengt, was aber doch geschehen ist: Jesus lebt!

Noch einen Tag zuvor war alles anders gewesen für die Jünger. Sie hatten sich versteckt und aufgegeben, wofür sie in den Monaten davor brannten – die Sache Jesu. Das Reich Gottes, das hier beginnt im Glauben der Menschen und in der Liebe zum Nächsten, selbst wenn der sich als Feind positioniert. Es gehörte für die Jünger seit den Ereignissen des Karfreitag zu einer schönen, aber leider gescheiterten Erinnerung – die Sache Jesu. Das Reich Gottes, das den Horizont des «hier und jetzt» überschreitet und sich vollendet nicht in dieser Welt, sondern der künftigen. Das Reich Gottes vollendet sich mit dem, was wir jetzt noch nicht erkennen können, weil es jenseits ist, jenseits unserer Vorstellungskraft, jenseits unserer Erkenntniskraft, jenseits unserer Zeit.

Die Jünger konnten damals, ähnlich wie wir heute, nicht fassen, dass da, wo es nach menschlichem Ermessen nicht weitergeht, weil wir da nicht weiterkommen mit unserem Denken und Erkennen; dass da, wo es für den menschlichen Geist finster ist, weil er nicht durchdringen kann, ein Licht von der anderen Seite her aufscheint.

Können Sie meinen Gedanken zum Bericht des Lukas noch folgen? Ich selbst merke gerade, wie schwer es zu fassen ist, was damals am Ostermorgen geschah. Es ist schwer zu fassen in Gedanken und mit Worten. Ein Blick auf das Foto zu dieser Predigt hilft da vielleicht. Es zeigt das mittlere Chorfenster der Uttwiler Kirche. Dargestellt ist dort im unteren Fensterbild der dritte Schöpfungstag und mittig der vierte und ganz oben, aufgrund der Lichtverhältnisse auf dem Foto kaum zu erkennen, der siebente Schöpfungstag. Die Sonne bricht grad erst durch und macht vorsichtig sichtbar, was momentan noch für das Auge des Betrachters im Dunkeln liegt.

Uttwiler Mittelfenster

Dieses Foto, das ich erst vor wenigen Tagen, am Morgen des 1. April gemacht habe, legt mir aus, wovon Lukas berichtet und was so schwer fassbar ist. Licht bricht durch und erhellt die Darstellung von Gottes Schöpfung. Wunderschön sieht es aus.

So erging es den Beteiligten am Ostermorgen damals auch. Sie können erst leicht misstrauisch und dann freudig nicht fassen, was gerade geschehen ist: der Durchbruch des Göttlichen in den Horizont des Menschlichen. Ihr Horizont wird erhellt. Nicht allumfassend, aber doch ausreichend genug um zu erkennen, dass es weitergeht. Auch da, wo wir nicht weitersehen. Gottes Schöpfung geht weiter als wir erkennen können. Als Neuschöpfung jenseits der Grenzen unserer Logik und unseres Erkennens geht sie weiter.

Heute sind wir die Beteiligten des Ostermorgens 2020. Wir dürfen in einer ungewissen Situation, weil durch die besondere Lage alle bisherigen Pläne und Prognosen über den Haufen geworfen wurden, wissen: Es geht weiter. Auch da, wo wir es nicht wahrnehmen können geht es weiter – und zwar mit Gott. Gottes Wege mit uns enden nicht, wo wir nicht weitersehen. Gottes Wege mit uns enden nicht und wir dürfen uns ihnen anvertrauen.

Im Blick auf die Endlichkeit unseres Daseins auf der Erde können wir uns Gottes Wegen anvertrauen. Gott schafft den Durchbruch zu neuem Sein. Die Jünger erkennen es am Ostermorgen, weil sie den Auferstandenen sehen. Wir erkennen es im Moment nur durch die Worte des Lukas und im Bild des Uttwiler Kirchenfensters. Vertrauen wir uns dem an, wovon Lukas und das Fensterbild berichten.

Auch im Blick auf die Belastung durch Schuld, die uns schnell blockiert und wir fahren uns fest im gegenseitigen Umgehen und kommen als Menschen miteinander nicht weiter; auch da schafft Gott den Durchbruch zu neuem Sein durch Vergebung, die wir von ihm erfahren und die wir deswegen untereinander leben dürfen. Jesus sagt es den Seinen: Gott wird jedem, der zu ihm umkehrt, die Schuld vergeben.

Wir begehen den Ostersonntag 2020 und dürfen teils ahnen, teils wissen, wie weit die Horizonte reichen, in die wir von Gott gestellt sind. Denn unser Herr und Heiland ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden. Amen.

 

Gebet

Herr, allmächtiger Gott,
mit der Auferweckung Jesu von den Toten
hast du uns den Durchbruch zu neuem Sein eröffnet.
Das ist unfassbar für uns, unfassbar befreiend.
Wir sind überwältigt und aus tiefstem Herzen dankbar
und vertrauen uns deinen Wegen an.
So sehen wir die Einsamen in unseren Dörfern.
Wir nehmen sie auf in unser Gebet und bitten für sie,
dass sie Zuwendung erfahren, von uns,
und dass sie deine Zuwendung zu ihnen erkennen können.
Wir sehen die Suchenden, die sich heillos verrannt haben
und die so gern mit ihrem Leben besser klarkommen möchten.
Wir nehmen sie auf in unser Gebet und bitten für sie,
um Menschen, die ihnen gute Weggefährten sind,
und darum, dass sie deine Wege erkennen können.
Wir sehen die Zerstrittenen, die sich verhärtet haben im Gegeneinander.
Wir nehmen sie auf in unser Gebet und bitten für sie,
dass sie deine Vergebung spüren dürfen
und darum Kraft zum Vergeben finden.
Wir sehen die, die mit dem Tod zu tun haben,
weil sie liebe Menschen verloren haben
oder selbst an Leib und Leben bedroht waren oder es noch sind.
Wir nehmen sie auf in unser Gebet und bitten für sie,
dass sie nicht allein sind in ihrer Situation
und dass sie erkennen, dass deine Wege mit uns weitergehen, über den Tod hinaus.
Wir werden einen Moment still und nehmen in unser Gebet,
was uns ganz persönlich beschäftigt und am Herzen liegt
und vertrauen es dir an.

Allmächtiger Gott und guter himmlischer Vater,
du eröffnest neues Sein, jetzt und in der Ewigkeit.
Dir vertrauen wir uns gern an.
Halte uns und leite uns jetzt und allezeit.

Amen.