Geistliches Wort zum Sonntag, den 03. Mai 2020

 

Johannesevangelium 15,1-8

Christus spricht: Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater ist der Weingärtner. Alle Reben am Weinstock, die keine Trauben tragen, schneidet er ab. Aber die Frucht tragenden Reben beschneidet er sorgfältig, damit sie noch mehr Frucht bringen.

Ihr seid schon gute Reben, weil ihr meine Botschaft gehört habt. Bleibt fest mit mir verbunden, und ich werde ebenso mit euch verbunden bleiben! Denn so wie eine Rebe nur am Weinstock Früchte tragen kann, so werdet auch ihr nur Frucht bringen, wenn ihr mit mir verbunden bleibt.

Ich bin der Weinstock, und ihr seid die Reben. Wer mit mir verbunden bleibt, so wie ich mit ihm, der trägt viel Frucht. Denn ohne mich könnt ihr nichts ausrichten. Wer ohne mich lebt, wird wie eine unfruchtbare Rebe abgeschnitten und weggeworfen. Die verdorrten Reben werden gesammelt, ins Feuer geworfen und verbrannt. Wenn ihr aber fest mit mir verbunden bleibt und euch meine Worte zu Herzen nehmt, dürft ihr von Gott erbitten, was ihr wollt; ihr werdet es erhalten. Wenn ihr viel Frucht bringt und euch so als meine Jünger erweist, wird die Herrlichkeit meines Vaters sichtbar.

 

Predigt

Gott, der Herr, gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.

Alle Kraft der Pflanze muss in die Frucht, sagen die Winzer. Darum schneiden sie ihre Weinstöcke zurück. Das hat Jesus vor Augen, wenn er sagt: «Ich bin der Weinstock, und ihr seid die Reben.» Denn Galiläa war ein Weinbaugebiet und ist es heute noch. Da kann man sie sehen, so wie wir auf dem Arenenberg, die Weinstöcke, wie sie gut beschnitten in einer Reihe stehen. Und man kann nur ahnen, wie tief die Wurzeln dieser Pflanzen gehen. Sie reichen weit hinab. Aus tiefen Schichten des Bodens zieht der Weinstock seine Kraft.

Wenn Jesus das Bild vom Weinstock wählt, um sich zu beschreiben und uns, dann sagt er, dass wir durch ihn verbunden sind mit tiefsten Tiefen des Erkennens und des Glaubens. Dass wir verbunden sind mit einer Kraftquelle, die weit in die Zeit zurückgeht, als König David vor gut dreitausend Jahren sein Gottvertrauen in die Worte kleidete: «Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.» Und die sogar noch Jahrtausende weiter zurück reicht, als Abraham loszog, ohne eine genaue Wegbeschreibung, aber mit Gottes Wort im Ohr und Gottvertrauen im Herzen.

Wenn Jesus sagt: «Ich bin der Weinstock, und ihr seid die Reben.», sehen wir die Wurzel, die uns mit Gott verbindet. Und wir ahnen die Kraft, die sie einem auch heute noch zukommen lässt. Zum Beispiel im Mut der Martin Luther King antrieb, ohne Gewalt zu kämpfen für die Farbigen in den USA. Wir ahnen bei dem Wort Jesu den Ursprung der Kraft einer Mutter Teresa, die sie ausharren liess bei denen, die in Kalkutta am schlimmsten dran waren.

Hört man auf Jesus, wenn er sagt: «Ich bin der Weinstock, und ihr seid die Reben.», ahnt man die Tiefe der Kraft des Glaubens. Nur: Wo sind wir in diesem Gleichnis? Wo bin ich?

Ein kleiner Trieb am uralten Weinstock Gottes sind wir, ein kleiner menschlicher Ast in Gottes grosser Schöpfung. Und Gott schickt uns seine Botschaft durch die tiefen Schichten des Wissens und des Glaubens in unser Herz und unser Hirn. Was ein jeder von uns denkt und fühlt ist angereichert mit uralter Kraft. Woher sonst haben Menschen heute die Stärke, auszuhalten und anzunehmen, zu erkennen und zu handeln? Das uralte Wort Gottes treibt junge Triebe in uns.

Das ist gut. Es ist besser als der Versuch, Kraft aus sich selbst zu schöpfen. Denn da ist man schnell am Ende seiner Kräfte.

«Ohne mich könnt ihr nichts ausrichten.», sagt Jesus. Und das bedeutet nicht, dass wir unfähig sind oder einen schlechten Kern hätten. Das ist ja nicht der Fall! Nur sind viele formende Hände um uns herum, die uns beeinflussen. Die Anderen zum Beispiel. Was sie wohl meinen zu allem, was ich beabsichtige? Und wie sie darauf reagieren? Oder die Eltern beziehungsweise die Lehrer, wenn sie sagten: «Das ist so!». Den Satz hat man verinnerlicht und tut sich schwer, daran zu rütteln.

«Wer bei mir bleibt, so wie ich bei ihm bleibe, der trägt viel Frucht. Denn ohne mich könnt ihr nichts ausrichten.» Wenn Jesus das sagt, höre ich darin die ermutigende Aufmunterung: Versuch es doch einfach! Was die anderen meinen, weiss man nicht, macht sich aber immer die schlimmste Vorstellung davon. Vielleicht reagieren sie aber ganz anders? Erleichtert, dass es endlich mal jemand wagt?

Unsere Gesellschaft startet neu aus einer Krise, vorsichtig, mit einiger Unsicherheit und neuen Einsichten. Versuche es doch einfach, du einzelner Mensch, und auch du, ganze Gesellschaft. Versuche, die Kraft ausströmen zu lassen, die dich durchströmt. Die uralte Kraft des Anfangs, die Kraft Gottes, bringt neue Früchte durch uns. Sie führt Menschen dahin, etwas anders zu machen als den gewohnten Trott fortzusetzen mit allen alten Fehlern. Sondern aufzubrechen wie einst Abraham, hin zu einem Lebensstil, der die Lebenschancen aller Lebewesen schützt, weil er Gottes Schöpfung schont. Wie schnell Leben gefährdet ist, haben wir gerade selbst erfahren.

Versuche, die Kraft Gottes ausströmen zu lassen, die dich durchströmt. Aufzubrechen und dabei alte Engführungen abzubrechen, die Menschen ausgrenzten, indem man sie ganz allgemein festgelegt hat auf bestimmte Verhaltensweisen. Weil die doch immer so sind, alle miteinander.

Die Ruhezeit der Schutzmassnahmen war eine Zeit der Besinnung. Hoffentlich haben wir sie genutzt, wir einzelnen und wir als Gesellschaft.

Alle Kraft der Pflanze muss in die Frucht, sagen die Winzer. Gottes Kraft muss in eure Herzen und Sinne, sagt Jesus, denn dann erreicht sie ihr Ziel. In euch und in der Welt. Weil wir Menschen zwar nicht von Grund auf neu werden. Unser Zweig an Gottes Weinstock ist schon länger da. Aber wir werden neu inspiriert zu Trauben des Lebens, die bekömmlich sind, weil sie gut tun. Uns und allen. Weil uns so der Friede Gottes erreicht, der uns Halt gibt und uns bestehen lässt in der Zeit und in der Ewigkeit durch Jesus Christus. Amen.

 

Gebet

Guter Gott und lieber himmlischer Vater,
wir treten ins Gebet,
das meint, wie werden still vor dir,
weil wir wichtige Dinge vor dich bringen möchten
und weil wir wichtige Dinge von dir empfangen wollen.
Beten bewahrt uns, die Verbindung zu dir zu verlieren.
Denn wenn wir beten,
halten wir Rast bei grösserem Frieden als unserem eigenen.
Schenke uns deinen Frieden, Gott, und schenke ihn der Welt.
Wir befehlen dir die Kriegsgebiete und die, die über den Krieg gebieten.
Lass endlich Frieden werden!
Die Probleme, mit denen wir als Bewohner der Erde zu tun haben,
sind gross genug, wir müssen den Armen nicht noch Elend dadurch aufbürden,
dass wir es nicht schaffen, miteinander zu leben.
Wenn wir beten, atmen wir den frischen Wind einer Gerechtigkeit,
die grösser ist als unsere eigene.
Die Wege aus der Corona-Krise sollten wir nutzen,
wesentliche Weichen unseres Lebens grundsätzlich neu zu stellen,
bescheidener zu werden, weiser und umgänglicher.
Wenn wir beten vertrauen wir uns deiner Wahrhaftigkeit an,
die umfassender ist als unser eigener Blickwinkel.
Guter Gott, wir werden still vor dir
und bringen mit vielen Bitten und mit Flehen vor dich:
uns und alle Menschen zugleich,
unser Wohlergehen und unsere Lebenschancen.
Wir werden still vor dir
und bringen mit Bitten und Hoffen vor dich:
unsere Sehnsucht nach der Kraft des Glaubens
in uns und allen Menschen, den Mächtigen wie den Ohnmächtigen.
Denn nur durch die Kraft, die du in uns wachrufst
wird unser Leben gesegnet sein durch gute Früchte.

Amen.