Geistliches Wort zum Sonntag, 17. Mai 2020
Psalm 123,1-3
Herr, ich richte meine Augen auf dich, der du im Himmel wohnst.
Wie ein Knecht auf ein Handzeichen seines Herrn wartet und eine Magd auf einen Wink ihrer Herrin achtet – so blicken wir auf den Herrn, unseren Gott, bis er uns ein Zeichen seiner Gnade gibt.
Hab Erbarmen mit uns, Herr, hilf uns! Schon viel zu lange haben wir Verachtung erlitten!
Predigt
Herr, ich richte meine Augen auf dich, der du im Himmel wohnst. So beginnt der 123. Psalm. Und Gott, der Herr, gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.
In den letzten Wochen richteten sich aller Augen immer sehr konzentriert auf die Bundesräte und die Mitarbeiter des Bundesamtes für Gesundheit, wenn die in der Öffentlichkeit das Wort nahmen. Dann war Interesse da. Wie sieht die aktuelle Situation aus? Wie wird es weitergehen? Auch ich habe die Medienkonferenzen genau verfolgt.
Die Schutzmassnahmen, die dort verkündet wurden und werden, sind wichtig. Durch sie haben wir die ganze Corona-Situation bisher recht gut bestanden. Und doch sind in unserem Land um die zweitausend Menschen durch dieses Virus bisher zu Tode gekommen. Angesichts dessen werde ich ganz still, ich ahne die persönlichen Schicksale und bin in Gedanken bei den Trauernden.
Auch die Arbeitssituation ist für sehr viele schwierig bis ziemlich schlecht. Darum ist jedes Interesse daran, wie es aussieht und wie es weitergeht, verständlich. Nur darf keine Unvorsichtigkeit auftreten. Eine zweite Welle des Virus wird von Fachleuten als sicher angenommen. Wie massiv sie wird, liegt an unserer Vorsicht und unserer Aufmerksamkeit. Eine zweite Welle von gleicher oder sogar stärkerer Wucht wie die erste wäre verheerend. Ich mag mir das gar nicht vorstellen.
Herr, ich richte meine Augen auf dich, der du im Himmel wohnst. Dieser Psalm ist ein Lied des alten Israel. Gottes Volk schaute damals mit Interesse auf Gott. Wie ein Knecht auf ein Handzeichen seines Herrn wartet und eine Magd auf einen Wink ihrer Herrin achtet – so blicken wir auf den Herrn, unseren Gott, bis er uns ein Zeichen seiner Gnade gibt. Hab Erbarmen mit uns, Herr, hilf uns!
Not lehrt beten, sagt der Volksmund zu der Erfahrung, die hinter dem Psalmwort steht. Eine Erfahrung, die momentan den Menschen auf der ganzen Welt naherückt.
Wir schauen auf die Regierung unseres Landes und ihre Entscheidungen. Wir schauen auf die Fachleute und ihre Aussagen. Wir schauen auf unsere ganz persönliche Zukunft. Es ist augenblicklich sehr vieles ungewiss. Und ich mag nicht über Möglichkeiten und Szenarien spekulieren. Ich kann es auch gar nicht. Das wäre wie Stochern bei Nacht im Nebel. Wie die alten Israeliten möchte ich in dieser Situation relativer Ungewissheit mich auf das konzentrieren, was ich weiss, damit ich nicht in Panik verfalle.
Ich weiss, die persönlichen Schutzmassnahmen bei Kontakten wie auch bei der Hygiene sind richtig. Also werde ich mich nach ihnen richten. Ich weiss auch, Menschsein ist immer ein Sein in Bezug zu Gott. Auch wenn selbstverständlich gewordene Dinge wie das Geschäftsleben, das Konsumverhalten, der Verkehr in der Luft und auf den Strassen und auch das private Reisen ihre Selbstverständlichkeit verlieren, der Bezug zu Gott bleibt selbstverständlich.
Und was die gerade genannten Selbstverständlichkeiten betrifft, so wird oft, wenn es um die jetzige Situation geht, davon gesprochen, dass es noch nicht so ist wie normal. Gemeint ist damit, wie es vor der Corona-Krise mit den Geschäften, dem Konsumieren, der Mobilität und dem Reisen war. Die Krise stellt uns vor neue Herausforderungen. Sie stellt uns vor neue Erfahrungen. Und damit vor die Frage: War das normal? Wie wir selbstverständlich lebten? War das normal? Oder wäre es klug, beim Aufbruch aus der Krise, sich als Gesellschaft wie als Einzelner neu zu justieren? Lebensfreundlicher? Bescheidener? Sozialer? Weil weniger mehr ist.
Schon viel zu lange haben wir Verachtung erlitten!, heisst es im Psalm 123. Und mir sagen diese Worte: Wir sollten mehr auf uns achten: Darauf achten, was wir tun und wie wir leben. Was selbstverständlich sein sollte und was nicht. Massstäbe dazu kommen aus unserem Bezug zu Gott.
Deshalb finde ich es sehr angebracht, nicht auf den alten Stand von vor der Krise zu schauen und ihn unbedingt zurückhaben wollen. Sondern die Augen auf den Herrn zu richten und jetzt Bäumchen der Zuversicht für eine Zukunft nach der Krise zu pflanzen. Denn wer seine inneren Augen auf den Herrn richtet, wird Zuversicht gewinnen, weil Gott uns gegenüber ist. Er ist dir gegenüber und lässt dich nicht ins Bodenlose fallen.
Darum will ich Bäumchen meiner Zuversicht pflanzen. Für mich und die, die mir nahe sind, will ich Bäumchen der Zuversicht pflanzen zum Anlehnen, zum Ruhefinden, zum Beten, zum Besinnen und zum Kraftschöpfen und Tun der Dinge, die mir möglich sind und die dran sind weil sie gut sind. Dinge, die mir auf einmal klar vor Augen stehen, jetzt mitten in der Situation wo man sehr auf die Äusserungen der Regierung und der Fachleute hört. Dinge, die mir da vor Augen stehen und die gut sind, weil sie in mir Raum gewinnen durch mein inneres Schauen auf den Herrn.
Und der Friede Gottes, der weiter reicht als unser Erkennen und Verstehen, bewahre unsere Herzen und Sinne durch Jesus Christus. Amen.
Gebet
Unser Vater im Himmel, wir werden innerlich still,
kommen zur Ruhe und richten die Augen unserer Seele auf dich,
weil wir uns von dir Zeichen deiner Gnade wünschen.
Wir brauchen sie als Wegzeichen unseres Lebens,
die uns Richtung und Sinn geben.
Viele Überlegungen stehen an, wie es weitergehen soll
mit uns, mit unserem Land, mit unserer Welt.
Wir schauen auf dich und bitten: Dein Wille geschehe,
und nicht die unüberlegte Rückkehr zum Alten.
Die Krise unserer Zeit stellt so viele Menschen in unserem Land vor Existenzfragen,
weil die Arbeit und das Einkommen nicht mehr gesichert sind,
weil man sich Sorgen um sich und seine Lieben macht,
weil mancher am Grab um seine Lieben trauert.
Wir schauen auf dich und bitten: Unser tägliches Brot gib uns heute.
Eröffne den Opfern der Krise Möglichkeiten zu leben, Gott.
Aufbrüche eröffnen Chancen zu Neuem, auch der Aufbruch aus der Krise jetzt.
Gib uns und gib den Menschen in unserem Land und auf unserer Erde,
die besondere Verantwortung tragen, den Mut, alte Fehler zu korrigieren
und die Kraft zu ganz neuem Anfangen, wo das geboten ist.
Wir schauen auf dich und bitten:
Vergib uns unsere Schuld und erlöse, ja, befreie uns, Gott,
zu einem Leben nach deinem Wort und in deinem Geist.
Gelobt seist du, Herr, der unser Gebet nicht verwirft,
noch seine Güte von uns wendet.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.