Geistliches Wort zum Sonntag, den 19. April 2020
Prophet Jesaja 40,27-31
Ihr Nachkommen Jakobs, warum behauptet ihr: Der Herr weiss nicht, wie es uns geht!
Begreift ihr denn nicht? Der HERR ist der ewige Gott. Er ist der Schöpfer der Erde – auch die entferntesten Länder hat er gemacht. Er wird weder müde noch kraftlos. Seine Weisheit ist unendlich tief. Den Erschöpften gibt er neue Kraft, und die Schwachen macht er stark. Selbst junge Menschen ermüden und werden kraftlos, starke Männer stolpern und brechen zusammen. Aber alle, die ihre Hoffnung auf den HERRN setzen, bekommen neue Kraft. Sie sind wie Adler, denen mächtige Schwingen wachsen. Sie gehen und werden nicht müde, sie laufen und sind nicht erschöpft.
Predigt
Gott, der Herr, gebe uns ein Herz für sein Wort und Worte für unser Herz. Amen.
Unsere Zeit ist seit Mitte März angehalten. Auch wenn das Leben weitergeht für Schüler und Lehrer mit Heimunterricht, für kleine und mittlere Unternehmen mit Aufträgen, für Lebensmittelläden mit dem Kundenservice. Und auch wenn etliche Geschäfte demnächst wieder öffnen können, es fühlt sich dennoch an wie angehalten. Weil wir angehalten sind, uns zurückzuziehen aus der üblichen Kontaktpflege und aus gängigen Verhaltensweisen.
Ja, das Leben geht weiter. Nur wie?
Wie mit angezogener Handbremse. Es fehlt irgendwie der richtige Schwung. Die Zeit des Stillstehens im öffentlichen Leben erschöpft einen emotional und etliche selbständig Tätige, Arbeitgeber oder Arbeitnehmer auch finanziell. Selbst junge Menschen ermüden und werden kraftlos, starke Männer stolpern und brechen zusammen.
Für Gottes Volk damals, als Jesaja sein Wort ein erstes Mal verkündete, war die Zukunft ungewiss. Es war im Exil, in Unfreiheit, zum Stillhalten gezwungen, fern von allem Vertrauten und Üblichen. Das zehrt an den Kräften.
Selbst junge Menschen ermüden und werden kraftlos, starke Männer stolpern und brechen zusammen. Es fällt uns, glaube ich, nicht schwer, Jesajas Worte heute nachzuempfinden. Auch nicht den Ausruf der Leute damals: Der Herr weiss nicht, wie es uns geht! Die Frage nach Gott stand im Raum, als das Volk ins Exil gezwungen war, eine künstliche Situation der Isolation.
Stellt sich diese Frage auch für uns, in unserer künstlichen Isolation? Unsere Kirchen stehen leer. Es findet situationsbedingt kein öffentlicher Gottesdienst statt. Aber unsere Kirchen sind nicht leer, nicht ohne Inhalt. Am Ostersonntag haben viele Leute aus unseren Dörfern in ihnen Lichter der Hoffnung angezündet. Ein schönes Zeichen, dass wir uns nicht von Gott verlassen fühlen müssen. Gott kennt unsere Situation. Er ist der Schöpfer der Erde – auch die entferntesten Länder hat er gemacht. Man muss nur um sich blicken, um zu sehen, was er alles geschaffen hat. Aber warum jetzt das Virus?
Wir wissen es nicht. Was wir in Bezug auf Gott wissen dürfen sagt uns Jesaja: Er wird weder müde noch kraftlos. Seine Weisheit ist unendlich tief. Den Erschöpften gibt er neue Kraft, und die Schwachen macht er stark.
Vertrauen wir darauf und lassen uns im Blick auf das Leben und die Situation jetzt davon tragen. Von dem Vertrauen darauf, dass man Gott alles zutrauen kann und von ihm auch alles erwarten darf. Zum Beispiel, dass er den Erschöpften Kraft und Stärke gibt, nach vorn zu blicken, zu laufen und dabei nicht zu resignieren. Dass Schluss ist mit dem Lebensgefühl, mit gebrochenen Flügeln dazuhocken und nicht weiterzukommen. Die Situation jetzt zwingt uns nachzudenken über das, was eigentlich wichtig ist. Unser Lebensstil ist oft genug überflüssig und rücksichtslos gegenüber der übrigen Schöpfung. Aber man kann neu den Absprung wagen, von einer unsichtbaren Kraft getragen.
Um das seinen Hörern damals und seinen Lesern heute zu verdeutlichen, nimmt Jesaja Adler als Vergleich. Damit junge Adler fliegen lernen, stossen die Adlereltern sie aus dem Nest. Doch sie passen auf die Kleinen auf. Wenn die taumeln, fangen sie sie auf. Dann tragen die Alten die Jungen. So sollten die Israeliten, sich anstecken lassen von der Hoffnung auf neue Kraft, aufzufahren mit Flügeln wie Adler und dabei zu wissen: Sie bleiben behütet und bewahrt. Und so dürfen auch wir unsere Situation angehen.
Ich sage das nicht nur so dahin, sondern meine es so: Worte der Bibel berühren Menschen und geben innerlich Aufschwung. Doch das Stichwort «Glaube» als Patentlösung für alles zu bringen, macht es zu einfach. So ist das Leben nicht. Trotzdem bringe ich das Stichwort «Glaube», also Vertrauen auf Gott, im Umgehen mit der derzeitigen Situation.
Nur, was ist es, das den inneren Aufschwung gibt? Was ist das Stärkende am Glauben? Eine Woche nach Ostern ist genau das das Thema: Die Frage danach, was die Auferstehung Jesu für die Glaubenden bedeutet.
Es gehört zur Grunderfahrung von Christen, dass Glaube manchmal ein Ringen ist. Ein inneres Ringen mit sich, mit der Situation und wie man damit fertig werden soll. Es gibt immer mal wieder Zeiten, in denen ich kraftlos und müde werde. Zeiten, wo ich darauf baue, dass das wahr ist, was seit Ostern verkündigt wird: Jesus ist von den Toten auferstanden. Denn das hat etwas mit mir zu tun. Weil damit mein Leben eingezeichnet ist in das Leben Jesu und ich kann gewiss sein, dass seine Auferstehung dazu hilft, dass ich aufstehen kann aus der Kargheit und der Not mancher Tage.
Adler tragen ihre Jungen nicht, um sie unselbständig zu machen. Sie tragen sie auch nicht aus dem Leben, sondern hin zu neuem Fliegen. So tut es auch Gott mit uns. Bei ihm geht es nicht wie bei Adlern um Aerodynamik, sondern um Grundsätze, die tragen, weil sie einem deutlich in den Horizont des Lebens rücken, dass nicht alles in unseren eigenen Händen liegt, sondern dass wir gnädig geleitet werden und bewahrt bleiben in Zeiten der Angst, der Sorge und der Ungewissheit. Das ist die oft erwähnte Chance, die in dieser Krise steckt. Das ist die grosse Verheissung, unter der wir als Christen leben können und hoffen dürfen.
Und die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft seines Geistes sei mit uns allen. Amen.
Gebet
Herr, allmächtiger Gott und Quelle des Lebens,
du überwindest den Tod und wir dürfen leben.
Das ist die Zusage, die über unserem Dasein steht:
Du überwindest den Tod und wir dürfen leben.
Das wollen wir gern in unser Leben nehmen, in der jetzigen Situation.
Vorsichtig und zuversichtlich wollen wir die Schritte unseres Lebens gehen
und mit dem Schwung, den deine Gegenwart schenkt, Gott.
Darum denken wir an alle, die in den Spitälern, den Pflegediensten
und auch in den Forschungslabors tätig sind.
Wir danken für ihre Tatkraft und für ihre Aufopferung.
Wir denken an alle, die trauern,
weil sie in der Epidemie liebe Menschen verloren haben.
Wir beten für sie und bitten, dass deine Nähe sie spürbar erreicht, Gott,
dass sie wissen, wir dürfen leben, auch wenn wir sterben,
wenn wir heimkehren zu dir, der Quelle des Lebens.
Wir denken an die Menschen, die sich fragen:
Weiss der Herr nicht, wie es uns geht?
Wir bitten für sie: Gott, brich spürbar in ihr Leben hinein
mit deinem Trost, mit deiner Nähe und mit deinem Schwung,
damit sie neu aufbrechen können in ihrem Leben.
Nimm uns dazu in deinen Dienst, Gott.
Lass uns nicht achtlos vorbeileben am Schicksal unserer Mitmenschen.
Bewahre uns vor der Kälte des Herzens.
Behüte uns und unsere Lieben.
Behüte die Menschen, die durch Krieg und Flucht in schlimmsten Verhältnissen leben.
Bewahre die Mächtigen vor blindem Eigensinn.
Gott, du Quelle des Lebens, schaffe in uns und um uns deinen Frieden,
damit wir leben können, jetzt und in der Ewigkeit.
Amen.