Geistliches Wort zum Sonntag, 24. Mai 2020
Prophet Jeremia 31,31-34
So spricht der HERR: Es kommt die Zeit, in der ich mit dem Volk Israel und dem Volk von Juda einen neuen Bund schliesse. Er ist nicht mit dem zu vergleichen, den ich damals mit ihren Vorfahren schloss, als ich sie bei der Hand nahm und aus Ägypten befreite. Diesen Bund haben sie gebrochen, obwohl ich doch ihr Herr war!
Der neue Bund, den ich dann mit dem Volk Israel schliesse, wird ganz anders aussehen: Ich schreibe mein Gesetz in ihr Herz, es soll ihr ganzes Denken und Handeln bestimmen. Ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein. Niemand muss dann den anderen noch belehren, keiner braucht seinem Bruder mehr zu sagen: ›Erkenne doch den HERRN!‹ Denn alle – vom Kleinsten bis zum Grössten – werden erkennen, wer ich bin. Ich vergebe ihnen ihre Schuld und denke nicht mehr an ihre Sünden. Mein Wort gilt!
Predigt
In Gottes Namen. Amen.
Sie finden vermutlich auch wieder an diesem Wochenende statt, die Demonstrationen gegen die Corona-Schutzmassnahmen. Ich weiss nicht, wie Sie das sehen. Mich stört dieses fahrlässige Spielen mit dem Risiko einer zweiten Ansteckungswelle. Erschrocken hat mich aber ein Fernsehbericht vom vergangenen Wochenende, wo eine ältere Demonstrantin in Bern zu den Schutzmassnahmen sagte: Wir haben hier einen DDR-Staat!
Als jemand der die DDR erlebt hat, auch von ihrer harten Seite, kann ich einschätzen, wie weit entfernt die Situation der Schutzmassnahmen in unserem Land von der Situation einer Diktatur entfernt ist. Und wie weit hergeholt daher die Ansicht dieser Demonstrantin ist. Die Schutzmassnahmen haben etwas mit Verantwortung für eine ganze Gesellschaft zu tun. Sicher sind Meinungen immer zu diskutieren. Aber da geben Fakten und Argumente den Ausschlag. Und man sollte bei aller Freiheit der Meinungsäusserung doch bitte sachlich bleiben.
Freiheit ist von Verantwortung nicht zu trennen. Das unterläuft aber unter dem Druck der Alltagssorgen, weil die Arbeit gefährdet ist und damit der Lebensunterhalt, dem einen oder anderen Demonstranten, so scheint es mir.
Freiheit ist von Verantwortung nicht zu trennen. Wir tragen nämlich nicht nur unseren Willen im Herzen, sondern auch Gottes Gesetz, sagt Jeremia in Gottes Auftrag. Das heisst, in allem, was das Leben ausmacht, geht es um mich. Aber nicht nur! Es geht in allem auch immer um andere. Das darf man nie aus dem Blick verlieren. Das ist mit dem Stichwort «Verantwortung» gemeint.
Und weil es besser ist, mit kritischen Sachen bei sich selbst anzufangen, sollte ein jeder dies auch tun, bevor er in die Öffentlichkeit tritt. Ich selbst nehme mir so oft vor, in schwierigen Situationen ruhig und gelassen zu bleiben. Aber dann ertappe ich mich doch wieder dabei, dass ich unbeherrscht reagiere, und das kommt nie gut.
Aber nicht nur im Blick auf mich selbst wünsche ich mir mehr Sachlichkeit und Verantwortung. Egoismus und Machtgehabe vergiften zunehmend das weltweite Klima. Die diesjährige Weltgesundheitskonferenz hat das bitter sichtbar gemacht bei dem Stichwort Zusammenarbeit und Impfstoff für alle.
Ich schreibe mein Gesetz in ihr Herz, es soll ihr ganzes Denken und Handeln bestimmen. Sagt Gott. Ich sage: Lass dich darauf ein, Mensch! Lass dich darauf ein, Gesellschaft! Lass dich darauf ein, stimmig zu leben. Dass es stimmt für dich und für die anderen auch.
Jeremia schrieb diese Worte in einer trostlosen Situation. Das Land war niedergebrannt nachdem Israel seinen Krieg gegen Babylon verloren hatte. Man war genötigt, ganz von vorn anzufangen. Die Frage war nur: Wohin soll die Reise gehen? In die Normalität des Alten? Vor genau dieser Frage steht unsere Gesellschaft auch.
Die Corona-Situation, höre ich in den Nachrichten, führte neben viel Negativem auch dazu, dass sich die Qualität der Luft in vielen Staaten verbessert. Eine Tatsache, die Menschen mit chronischem Lungenleiden zugute kommt. In Venedigs Kanälen sieht man wieder Fische. Das hat es in dieser durch Tourismus verschlissenen Stadt schon ewig nicht mehr gegeben. Und die Bienenpopulation der französischen Schweiz erholt sich gerade. Das sind nicht die einzigen guten Nachrichten dieser überschatteten Zeit.
Soll das alles wieder zurückgedreht werden durch eine Rückkehr in die alte Normalität? Wäre ein Aufbruch in eine Normalität des Neuen nicht ratsamer? Wo alte Interessen und neue Gegebenheiten mit weitblickender Sorge für eine lebbare Zukunft aufeinander abgestimmt werden?
Jeremias Wort macht Mut dazu. Mut zu neuen Verbindlichkeiten, die von Sachlichkeit und Verantwortung vor Gott bestimmt sind. Was nämlich unseren Bezug zu Gott betrifft, leben wir oft eine gepflegte Gleichgültigkeit. Das soll anders werden. So kommen Jeremias Worte bei mir an. Das darf anders werden. Denn Gott fängt neu mit uns Menschen an.
Polieren wir unseren Gottesbezug auf! Hören wir neu auf die Worte der Bibel. Und haben wir Vertrauen zu dem, was wir da hören. Das wäre angesichts unserer Situation nicht verkehrt. Martin Luther fand, der Glaube ist wie ein Kräutlein, das man zwischen den Fingern reiben muss, damit es duftet.
Tun wir das! Lassen wir das Aroma von Gottes Wort und seinem Willen unser ganzes Denken und Tun würzen. Reiben wir es anderen aber bitte nicht rechthaberisch unter die Nase. Niemand muss den anderen noch belehren. Lässt Gott ausrichten. Halten wir aber nicht geheim, was Gott will und was uns beseelt. Es wird sich dadurch von ganz allein verbreiten und uns und die anderen auch dahin bringen, froh und frei zu leben mit einem Gefühl der Verantwortung vor Gott und für das Ganze der Gesellschaft. Weil Gottes Wollen in unseren Herzen wohnt und uns leitet, jetzt in der Zeit wie auch einmal in der Ewigkeit. Amen.
Gebet
Guter Gott, geduldiger himmlischer Vater,
du bleibst dran an uns, du bleibst in Verbindung mit uns.
Einen neuen Bund, nennst du es, ein Schreiben deines Wollens in unsere Herzen.
Darauf lass uns Acht haben, sonst gerät unser Leben aus dem Gelichgewicht.
Aber das soll es nicht!
Darum beten wir um ein waches Gewissen
und den Mut zu Taten der Verantwortung
für die Menschen, die in Regierungen und Firmen in Verantwortung stehen
für die Gesellschaft, für die Schöpfung und vor dir.
Wir beten in gleicher Weise für uns um ein waches Gewissen
und den Mut zu verantwortlichem Handeln in deinem Geist.
Fehlbare Menschen werden wir wohl bleiben,
und doch streben wir nach dem Guten, weil es richtig ist.
Gott, höre die Worte unserer Sehnsucht!
Lass uns nicht gleichgültig werden dir und allem Leben gegenüber.
Vergib, wo wir an deinem Willen vorbeilebten!
Schenke uns, worum wir von Herzen bitten!
Und wo unser Leben in Unordnung geraten ist,
hilf uns, die Dinge wieder in Ordnung zu bringen.
Guter Gott, geduldiger himmlischer Vater, bleib dran an uns.
Wir wollen es auch – bleiben an dir.
Amen.